Choeung Ek: Die Killing Fields von Phnom Penh

Etwa 15 Kilometer südwestlich der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh liegt Choeung Ek, eines der bekanntesten „Killing Fields“ des Landes. Heute ist der Ort eine Gedenkstätte für die Opfer des Khmer Rouge Regimes. Doch Choeung Ek ist nur eines von über 300 Killing Fields in Kambodscha – stille Zeugen eines der grausamsten Kapitel der Weltgeschichte.

Der Aufstieg der Roten Khmer

Die Geschichte, die hier ihren grausamen Höhepunkt fand, begann viele Jahre zuvor. In den Bergen Kambodschas formierten sich die Roten Khmer, eine ursprünglich kleine kommunistische Gruppe. Zunächst eine Untergrundbewegung, wuchs sie durch die politischen und sozialen Krisen der 1960er und frühen 1970er Jahre rasch an. Bürgerkrieg, massive Armut und Unzufriedenheit mit der bestehenden Regierung trieben viele Menschen, vor allem die arme Landbevölkerung, in die Arme der Roten Khmer. Diese versprachen ein Ende von Ungleichheit und Korruption – eine neue, gerechte Gesellschaft.

Am 17. April 1975 eroberten die Roten Khmer Phnom Penh. Der Bürgerkrieg war beendet, doch der Albtraum begann erst. Innerhalb weniger Tage schlossen die neuen Machthaber Schulen, Behörden, Krankenhäuser und Geschäfte. Die gesamte Bevölkerung der Stadt – rund zwei Millionen Menschen – wurde innerhalb von drei Tagen zwangsevakuiert. Ziel war es, eine neue Gesellschaft ohne städtische Einflüsse aufzubauen: Pol Pots Vision vom „Jahr Null“.

Pol Pot, der Führer der Roten Khmer, verfolgte eine radikale kommunistische Utopie. Er wollte ein agrarisches Ideal schaffen. Städter, Gebildete, Ärzte, Lehrer, Ingenieure, selbst Menschen, die eine Brille trugen oder eine Fremdsprache beherrschten, galten als Feinde der Revolution. Wer im Verdacht stand, die Pläne zu gefährden, wurde gnadenlos ermordet. Selbst kleinste Anzeichen von Bildung oder abweichendem Denken reichten aus, um zum Tode verurteilt zu werden.

Täter und Opfer: Eine grausame Wahrheit

Eine der bittersten Lehren aus den Killing Fields ist, dass es keine Besatzungsmacht war, die das Land unterdrückte – Kambodschaner töteten Kambodschaner. Viele Soldaten der Roten Khmer waren einfache Bauern, Analphabeten oder Jugendliche, die mit dem Versprechen auf Wohlstand und eine bessere Zukunft gelockt wurden. Die „neuen Menschen“ – Intellektuelle und Städter – wurden zu Sündenböcken für das Elend der Nation erklärt.

Misstrauen und Angst durchdrangen auch die Reihen der Roten Khmer. Pol Pot wurde zunehmend paranoid und ließ selbst treue Gefolgsleute beim geringsten Verdacht hinrichten.

Die Killing Fields: Systematischer Massenmord

Choeung Ek war einer der vielen Orte, an denen das grausame System seinen Höhepunkt erreichte. Etwa 20.000 Menschen wurden hier brutal ermordet und in Massengräbern verscharrt. Aus dem berüchtigten Gefängnis Tuol Sleng (S-21) brachten Lastwagen täglich hunderte neue Gefangene. Ihnen wurde vorgegaukelt, sie kämen in ein neues Zuhause. In Wirklichkeit erwartete sie der Tod.

Aus Musikboxen dröhnten revolutionäre Lieder, um die Schreie der Opfer zu übertönen. Kinder wurden vor den Augen ihrer Eltern an Bäumen erschlagen. Noch heute findet man auf dem Gelände Knochenfragmente, Zähne und Kleidungsreste, die bei starkem Regen aus der Erde ragen – stille Mahnmale einer unvorstellbaren Tragödie.

Viele der Massengräber sind noch unberührt. Teils, um die Toten ruhen zu lassen, teils, weil große Teile des Geländes mit Wasser bedeckt sind.

Der Untergang der Roten Khmer

Erst nach dem Einmarsch vietnamesischer Truppen 1979 fiel das Regime der Roten Khmer. Pol Pot und seine Gefolgsleute flohen in die Berge nahe der thailändischen Grenze und lebten dort noch jahrelang als Guerillakämpfer. Sie versuchten vergeblich, die Macht zurückzuerobern. Pol Pot selbst starb 1998 unter bis heute ungeklärten Umständen, ohne jemals für seine Verbrechen vor Gericht gestellt worden zu sein.

Museum bei Choeung Ek

Die Gedenkstätte heute: Ort des stillen Gedenkens und Lernens

Die Killing Fields von Choeung Ek wurden nach dem Ende des Terrorregimes in eine zentrale Gedenkstätte umgewandelt. Am Ort der unvorstellbaren Gräueltaten herrscht heute eine ergreifende Stille. Die Atmosphäre ist ehrfürchtig, nachdenklich und tief bewegend. Überall auf dem Gelände spürt man die Last der Geschichte – und die stille Würde, mit der der Opfer gedacht wird.

Im Zentrum der Gedenkstätte erhebt sich eine etwa 17 Meter hohe, gläserne Stupa des Gedenkens. Sie wurde 1988 errichtet und ist das zentrale Mahnmal für Choeung Ek. In ihrem Inneren werden rund 5.000 menschliche Schädel aufbewahrt, die aus den umliegenden Massengräbern exhumiert wurden. Viele dieser Schädel weisen deutliche Spuren von Gewalt auf: Einschläge, Brüche, Einschusslöcher. Jeder einzelne Schädel erzählt eine Geschichte von Leid und Verlust, die man nicht ignorieren kann. Noch heute ragen an regnerischen Tagen neue Kleidungsstücke, Zähne oder Knochen aus der Erde. Mitarbeiter vor Ort entfernen sie nach und nach und bewahren sie auf.

Rund um den Stupa sind mehrere Massengräber markiert. Einige dieser Gruben sind noch offen sichtbar, teilweise mit kleinen Schildern versehen, die erklären, wie viele Menschen hier getötet und verscharrt wurden. Besonders ergreifend ist der „Killing Tree“, an dem die Roten Khmer kleine Kinder brutal ermordeten. Heute ist dieser Baum mit bunten Armbändern und Blumen geschmückt, die Besucher als Zeichen des Gedenkens hinterlassen können.

Ein eindrucksvoller Audioguide führt die Besucher in mehreren Sprachen (auch auf Deutsch) über das Gelände. Besonders eindrücklich sind die persönlichen Geschichten von Überlebenden und Zeitzeugen, die von ihren eigenen Erfahrungen berichten: von Angst, Entwurzelung, Hoffnungslosigkeit – aber auch von Überlebenswillen und Stärke. Die Mischung aus sachlichen Informationen und persönlichen Erzählungen macht den Besuch zu einem eindringlichen Erlebnis, das noch lange nachwirkt.

Choeung Eks Killing Fields sind bewusst schlicht gehalten. Keine aufdringlichen Displays, keine Effekthascherei. Die Gedenkstätte setzt auf Authentizität und Stille als Mittel der Erinnerung. Besucher werden um respektvolles Verhalten gebeten: Fotografieren ist erlaubt, aber Lärm, Lachen und unangemessenes Verhalten sind strengstens untersagt.

Für viele Kambodschaner ist Choeung Ek nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern auch der Trauer. Die Wunden, die die Roten Khmer hinterlassen haben, sind bis heute nicht ganz verheilt. Die Existenz der Gedenkstätte gibt den Opfern eine Stimme und trägt dazu bei, dass die kollektive Erinnerung an diese dunkle Zeit nicht verloren geht.

Warum ein Besuch der Killing Fields wichtig ist

Ein Besuch der Killing Fields ist keine leichte Erfahrung. Aber er ist ein unverzichtbarer Teil des Verständnisses der Geschichte Kambodschas und eine Mahnung an die Welt, wohin Fanatismus, Extremismus, Angst und Hass führen können. Es ist ein Ort der Trauer und des stillen Nachdenkens – und des Gedenkens an die Opfer.

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