Literaturtempel Hanoi: Der wichtigste Kulturort der Hauptstadt

Der Literaturtempel in Hanoi ist das am besten erhaltene Konfuzius-Heiligtum Vietnams und zugleich die historische Stätte der ersten Nationaluniversität des Landes. Die Anlage aus dem 11. Jahrhundert verbindet Architektur, Bildungsgeschichte und lebendige Gegenwartskultur – ein Muss für jeden Besuch in Hanoi.

Öffnungszeiten, Eintritt und Verhalten vor Ort

Der Literaturtempel ist täglich von 8:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Der reguläre Eintritt beträgt 70.000 VND, es gibt Ermäßigungen (z. B. für Schüler/-innen, Studierende und Kinder), die vor Ort bzw. auf der offiziellen Website ausgewiesen sind. Besucher werden gebeten, nichts zu berühren oder zu beschriften, insbesondere nicht die historischen Steintafeln. Zudem gelten die üblichen Verhaltensregeln an religiösen und historischen Orten (angemessene Kleidung, Ruhe in den Schreinen).

Geschichte in Kürze

Der Literaturtempel (Văn Miếu) wurde im Jahr 1070 unter König Lý Thánh Tông als Konfuzius-Tempel gegründet. Im Jahr 1076 richtete König Lý Nhân Tông innerhalb des Tempelbezirks die Kaiserliche Akademie (Quốc Tử Giám) als erste Universität Vietnams ein. Über Jahrhunderte blieb die Anlage Bildungs- und Kultstätte, wurde in verschiedenen Dynastien restauriert und schließlich im 20. Jahrhundert umfassend erneuert. Im Jahr 2000 wurde die Anlage weiter restauriert und weitgehend im ursprünglichen Layout erhalten.

Văn Miếu – Quốc Tử Giám: Wie hier gelernt und geprüft wurde

Die Kaiserliche Akademie (Quốc Tử Giám) war über Jahrhunderte das Zentrum der höheren Bildung in Vietnam. Sie wurde 1076 im Inneren des Literaturtempels gegründet und gilt als erste Universität des Landes. Ursprünglich stand sie nur Angehörigen der Königsfamilie und hochrangigen Beamtenkindern offen, später wurden auch begabte Söhne aus wohlhabenden Familien und herausragende Studenten aufgenommen.

Der Unterricht folgte strikt der konfuzianischen Lehre. Grundlage waren der „Vier-Bücher-Kanon“ (Tứ Thư) und die „Fünf Klassiker“ (Ngũ Kinh), die beide in klassischem Chinesisch (Hán Văn) verfasst waren. Die Studierenden lernten durch intensives Auswendiglernen, Rezitation und Kommentierung dieser Texte. Ein Schwerpunkt lag auf Moral, Staatsführung, Loyalität, Gerechtigkeit und persönlicher Tugend – Eigenschaften, die für Beamte des kaiserlichen Verwaltungsapparats unerlässlich waren.

Die Lehrmethode war stark auf Prüfungsvorbereitung ausgerichtet. Professoren und ältere Gelehrte unterrichteten jüngere Schüler, die dann immer komplexere Prüfungen bestehen mussten. Diskussionen und Debatten dienten der Vertiefung des Verständnisses, während das Verfassen von Essays und Gedichten Teil des Prüfungsprogramms war.

Architektur und Symbolik: Fünf Höfe auf einer Achse

Der Komplex folgt einer streng axialen Abfolge von fünf Innenhöfen und mehreren Toren. Nach dem Großen Tor führt der Weg durch den ersten Hof zur Großen Pforte (Đại Trung), flankiert von den Toren Đạt Tài („Talent fördern“) und Thành Đức („Tugend vollenden“). Im zweiten Hof befindet sich der berühmte Khuê-Văn-Các-Pavillon, der die „Sternenkonstellation der Gelehrsamkeit“ symbolisiert. Der dritte Hof wird vom Brunnen der himmlischen Klarheit geprägt, an seinen Seiten liegen die Hallen mit den Doktorstelen. Im vierten Hof folgen dahinter der Zeremonienhof und die Konfuzius-Schreine. Den Abschluss bildet der fünfte Hof mit Ausstellungsräumen, einer Statue des Gelehrten Chu Văn An und Altären für die Herrscher, die die Institution begründeten.

Die Doktorstelen: Ein UNESCO-Weltdokumentenerbe

Das Herzstück der Anlage bilden die 82 Steinstelen auf Schildkrötenbasen, die als nationales Symbol für Weisheit und Langlebigkeit gelten. Ihre Aufstellung begann im Jahr 1484 unter Lê Thánh Tông. Die Tafeln ehren die erfolgreichsten Kandidaten der kaiserlichen Prüfungen. Die zwischen 1484 und 1780 errichteten Stelen dokumentieren die Prüfungen der Jahre 1442 bis 1779 und enthalten insgesamt 1.304 Namen. Die Stelen gehören zum UNESCO-Programm „Memory of the World“: 2010 wurden sie in die Asien-Pazifik-Liste aufgenommen.

Besuchstipps für den Rundgang

Für ruhige Fotos und weniger Andrang lohnt sich ein Besuch gleich morgens oder am späten Nachmittag. Der lineare Aufbau ermöglicht einen leicht nachvollziehbaren Rundgang von Ost nach West: vom Großen Tor über Đại Trung Môn und Khuê Văn Các zu Brunnen und Stelen. Danach bleibt Zeit für die Schreine im vierten Hof und die Ausstellungen im Thai-Hoc-Hof. Wer sich für die Inschriften interessiert, sollte die zweisprachigen Tafeln und Modelle im fünften Hof einplanen, die das Prüfungswesen und die Konservierung der Stelen erläutern.

Der Literaturtempel vereint Hanois Bildungsgeist, Architektur und Gegenwartskultur an einem Ort – von den ikonischen Toren über den symbolträchtigen Khuê Văn Các bis zu den UNESCO-prämierten Doktorstelen. Wer Hanois Seele verstehen will, beginnt hier.

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Zuletzt aktualisiert: 20.09.2025
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